Freitag, 13. Oktober 2023

All Hat and no Cattle

 

Ich war noch sehr jung als uns Uta die Bombe zündetet. Vor laufender Kamera, selbst sicher, kämpferisch, eloquent, faszinierend. Und viele hörte ich sagen: Endlich mal jemand, der es dem polnischen Popen und dem ganzen frömmelnden Pack so richtig zeigt. 
Die, die das sagten, waren jedoch sehr weit entfernt von den ... heute würde man wohl Schlafschafe sagen, die das Volk in Utas Augen war.
Meine Mutter fand sie z.B. ganz großartig. Nur war Mama von einer reformierten Gemeinde rausgeschmissen worden, die das Scheitern ihrer ersten Ehe für ein recht eindeutiges Zeichen hielten, dass es mit ihrer Auserwähltheit nicht all zu weit her sein konnte. Ja, das gab es mal. Auch in der evangelischen Landeskirche in NRW gabe es bis in die 70iger noch Gemeinden, die fröhlich Geimeindezucht in dieser Art betrieben. 
Mein Vater fand sie witzig. Er war zwar katholisch getauft worden und das war es dann auch gewesen. Mein Großvater hatte ihn wohl nur katholisch taufen lassen, weil man das damals so machte. Opa und Papa glaubte nach eigenen Angaben nur an sich selber. Auch deshalb hatte meinen Großvater die Ablehnung der ebenfalls maximal kultur-lutherischen Familie meiner Großmutter sehr getroffen. Meine Oma war wegen dieser Liebesheirat von ihrer Familie verstoßen worden. Einen Papisten wollte in der sehr preußisch-blauen Heimat meiner väterlichen Großeltern niemand. Die frühe Mitgliedschaft bei der NSDAP löschte schlagartig diesen Markel. 
Dass ich überhaupt getauft wurde, hab ich meinen Großeltern mütterlicherseits zuverdanken. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass irgendwer wahnsinnig an meiner Erziehung in irgendeinem Glauben interessiert war. Zu meiner Firmung ist niemand von meiner Familie mehr aufgetaucht. Das lag irgendwie ganz ungünstig an nem Wochenende und irgendwie hatte man da schon Urlaub gebucht, oder so. 
Ich frag mich immer mal wieder, warum gerade Leute, die so richtig mit Jesus und seiner Kirche so gar nichts am Hut haben, die Uta so wahnsinnig wichtig fanden. Warum dieser Jubel, wenn das was da attackiert wird, im eigenen Leben überhaupt keine Bedeutung hat?  
Als Kind hab ich es so überhaupt nicht verstanden, aber ich hab mitgeschnitten, was da vor allem über JP2 gesagt wurde. In der öffentlichen Meinung war da ein polnisches Bäuerlein auf den Stuhl Petri gehievt worden, der vor allem politische Ziele verfolgte und sich zu sehr in die internationale Politik einmischte. Was er sicher auch tat. Dass er eben nicht der dumme polnische Bauer war, hätte auffallen könenn, wenn man seine Schriften ernsthaft gelesen hätte.  Anders als z.B. in den USA wurde allerdings hier in den Gemeinden nicht gelesen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in irgendeiner Gemeinde dazu mal was angeboten worden wäre. Und ich bin rumgekommen. Die Mittwochs-Katechesen, die am Ende die JP2s Theologie des Leibes begründeten, gingen nicht nur an der deutschen öffentlich-rechtlichen Öffentlichkeit, sondern auch an den meisten Gemeinden völlig vorbei. 
Während man in USA versuchte mit damals noch relativ jungen Papst mit zu denken und sich gleichzeitig gegen die oft sehr aggressive missionierenden Evangelikalen zu wehren, saß in deutschen Wohnzimmern Uns-Uta im grift-grünen Leder und ließ sich lang und breit darüber aus, wie sehr ihr diese polnische Marienfrömmigkeit auf den Senkel ging.  Eine ganz merkwürdige Haltung für jemanden, der sich im linken politischen Spektrum selber verortet hat, finde ich.
Anders als andere Kirchenkritiker war dann ja auch noch der Heinemann hinter der Ranke. Und das finde noch zusätzlich sehr interessant im Nachhinein. Als sie ihre Bombe zündetet, tat sie das im WDR und ausgerechnet in einer Live-Sendung aus Kevelaer. Aber der Zünder an sich war bei genauer Betrachtung nicht so sehr eine theologische Meinung, sondern eine absolut unhaltbare politische Anschuldigung:  „Viele Juden sind umgebracht worden, weil sie nicht an die Jungfrauengeburt glauben konnten. Und ich kann das auch nicht“. Warum dieser Unsinn von so vielen Seiten beklatscht wurde, ist für mich heute nicht mehr nachzuvollziehen. Es ist wohl als Letztes die Jungfrauengeburt, die einen Juden vom Glauben an Jesus als den Messias abhält und es gibt geschichtlich viele verschiedene Gründ, die Juden zur Zielscheibe für Verfolgung machten. Hier schwang dann aber sehr deutlich der Vorwurf an die katholische Kirche mit, während der NS-Zeit nichts gegen die Massenvernichtung getan zu haben. Eine sehr gewagte These, die von Ralf Hochmut und seinem fiktionalem Stellvertreter in der Vorstellung der deutschen Öffentlichkeit zum Fakt verfeuilletoniert und vertalkshowed wurde. Das Hochmut von Ostblock gefördert wurde, dem damals sehr an der Diskreditierung des Vatikans lag, fiel auch 2016 wieder in den Medien sehr unter den Tisch als  Der Stellvertreter verfilmt wurde.
Je länger ich über das Spektakel um diese Aussage nachdenke, um so mehr beschleicht mich der Verdacht, dass die Professoressa so ziemlich alles gesagt oder getan hätte, um die Scheinwerfer und Mircos auf sich zu ziehen.
Ich sehe da keine Frau, die nach der Wahrheit sucht oder den Glauben vermehren will oder auch nur ansatzweise was zum Lobpreis Gottes macht. Ich sehe da jemanden mit einer Agenda, der die Geschichte durchwühlt, um Stützen für ihre Weltsicht zu ergattern. Sie wird fündig ohne Frage, aber was sie am Ende daraus 
konstruiert beherbergt keinen christlichen Glauben mehr. Es liegt halt wirklich nicht nur am Hymen, wenn Gott in unserem Leben kein Fleisch annimmt. 
Ihr feministischer Ansatz altert leider nicht gut. Auch weil uns Frauen inzwischen sehr bewusst ist, dass die sexuelle Befreiung nur sehr wenige echte Freiheiten für Frauen bietet.
Ihr Dauerbeschuss des Zölibats als Quelle allen Ungemachs und später auch als Hauptursache für die Missbrauchskandale verpuffen, weil es in zwischen gefühlt dreitrillionen Untersuchungen gibt, die keine Verbindung zwischen Zölibat und Pädophilie belegen konnten. Neben so Sachen wie der John-Jay-Studie aus 2004 oder der dem Missbrauchsbericht der Southern Baptists Convention, die feststellt, dass es nicht nur nicht am Zölibat liegt. Auch nicht unbedingt an der Stellung innerhalb der Gemeinde, weil dort die Mehrzahl der Beschuldigten nur ehrenamtlich in den Gemeinden tätig waren.

Es bröselt für mich auch dies sehr deutsche Sichtweise, dass sich das Thema Missbrauch erledigt, wenn wir synodaler werden. Synodaler als die SBC geht es eigentlich nicht. Aber das nur am Rande.

Dass man ihr unbedingt noch einen Lehrstuhl basteln musste, verstehe ich nur, wenn ich sie eben nicht als Theologin und Gottsucherin sehe, sondern als Galionsfigur einer linken Bildungselite und des bundesdeutschen Polit-Adels. 

Im Nachhinein sieht für mich die hochgelobte und so geistreiche Professorin dann doch eher wie ein grell-kreischender Rodeo-Clown aus. Dass sie von unseren kfd-Trullas immer noch über den mint-grünen Klee gelobt wird, kann ich ehrlich gesagt nicht fassen. Auf der anderen Seite hab ich auch noch nie was über die Theologie des Leibes von einer Kfdlerin gehört, auf jeden Fall nichts positives. 
Ich glaube inzwischen, dass solche Rodeo-Clowns eines der Hauptprobleme der katholischen Kirche in Deutschland sind. Ich würde mich da sehr gerne täuschen. 

Freitag, 29. September 2023

Don't worry Father. I am fine. I think.

 Nein, ist schon in Ordnung. Ja, die Ortsgemeinde ist sicher nett. Bestimmt.

Naja, ich geh da nur sonntags hin. Ich hab auch nicht so wahnsinnig viel Zeit unter der Woche. 

Ja, ich weiß, dass eine Gemeinde keine Sakramenten-Abhol-Station ist. - Ich hör zu, wenn Du predigst. Meistens. 

Hä? Wie was trinkst Du da? Apfelwein. Hat er vergessen, in welcher Zeitzone ich bin? Es ist hier schon nach sechs abends. Auch so das. Ich mag auch hier Bier nicht so sonderlich und sachlich gesehen trinke ich nicht alleine. Du bist ja da. Also prost, Father.

Natürlich bin ich angemeldet. Ich kann nicht nicht angemeldet sein. Deutschland, weiß Du? 

Nein, man ist dann auch direkt für die Kirche angemeldet und zahlt auch automatisch. 

Nein, das kann ich nicht. Beides nicht. Ich kann mir eine Gemeinde nicht aussuchen und ich kann mir nicht aussuchen, ob und was ich zahlten will. Und jetzt kommt der Punkt wo alle immer glauben, ich hätte was falsch verstanden. Hab ich aber nicht. Jeder drüben denkt, ich hab sie nicht mehr alle, wenn ich ihnen das erkläre.

Nee, geht nicht. Wenn ich aus dem System raus will, muss ich öffentlich erklären, dass ich nicht katholisch bin. Das wäre ungünstig. So Exkommunikation und so.

Nein, ich hab da nichts falsch verstanden, dass haben die Bischöfe hier so festgelegt. 

Öh, nöö. Die haben hier nicht so nen Chor. Außerdem hab ich die Singstimme einer Krähe und Du weist das.    
Ich glaub nicht, dass ich da was machen würde. 

Warum? Naja, ich sag mal, die haben ein etwas anderes ... also Yesterday von den Beatles zur Kommunion...

Ich erzähl ihm dann noch, dass ich auch schon in einer heiligen Messe Cohnens Halleluja gehört habe und House of the Rising Sun. Und ja ich hab danach mal gefragt,- vorsichtig und nett und total aufgeschlossen-  was die Leut sich denken. Nix, anscheinend. Anscheinend hat irgendein Muppet auf die Melodie vom Cohnen einen Text geschrieben, in dem es definitiv nicht darum geht seine London-Affaire zu vögeln . Gut, okay. Blöd nur, dass ich den Text von Mr. Cohnen kenne und ich echt Probleme hatte... also ich komm auf sowas während der heiligen Messe einfach nicht klar. Geht gar nicht. Aber angeblich meine Schuld, weil ich nur das Original kenne. 
Was die sich beim House of the Rising Sun gedacht haben, bleibt genau nix. Angeblich würde niemand in Deutschland den Text dazu kennen oder wissen worum es in dem Lied geht.
Hallo, guten Tag, ich bin also Niemand und soll mich deshalb nicht so anstellen.
Ich sag Joe nicht, dass der Leiter der Kirchenband auf meine Einwände, dass es wirklich auch Lobpreismusik gibt, die man hätte spielen können, hat er mir gesagt, dass wenn mir die Musik nicht passt ich halt nicht zur Kirche kommen müsse.   Ok, thanx Brother. 


Father Joe versucht, glaub ich, gerade meine Hand übers Internet zu halten. Josh und Tina kommen ins Büro. Sie wollen zum Hotdog Stand in der Mittagspause. Wir winken. 

Mach Dir keine Sorgen, Father. Mir geht es gut. Grüße an Tina und Josh. 



Dienstag, 26. September 2023

Natürlich geht es auch ohne Priester

 Es gibt so Tage, da frag ich mich. Ich frag, mich noch nicht mal mehr was. Es ist einfach nur noch: HÄ?
Erstmal: Klar geht es auch ohne Priester. Aber meistens weil es gehen muss.
In Indien hab ich nen Bekannten, wo während des Monsuns Kirche in den kleinen Bergdörfen definitiv nur Wortgottesdienst ist, mit viel Glück hat man ein Katechet oder eine Schwester. Die im Dauerregen aufgeweichten Trampelpfade zur nächsten Kirche herunter zu steigen, ist schlicht lebensgefährlich und an einem Tag nicht zu schaffen. Funktioniert dann eben auch ohne Priester bis der Regen abzieht.
Dann gehen die Leute wieder zur Kirche oft mit Mann und Maus und manche laufen 3 Stunden für eine Strecke. Scheint irgendwie schon richtig zu sein.
Und natürlich können wir Laien das ja auch übernehmen. Klappt ja auch schon ganz großartig mit der Heiligung der Welt durch uns Muppets. Gerade hier in Deutschland haben wir echt .... also ich will ja nicht sagen Totalausfall, aber so richtig Wumps, wie man ja neuerdings sagt,  ist nicht dahinter. 
Unser Job wäre eigentlich Montag bis Samstag zu predigen. Solange wir das nicht tun, müssen wir, finde ich, nicht am Sonntag auf die Kanzel. 
Kirche ohne Priester heißt nämlich in vielen Ländern auch, dass man mit der Familie und Freunden zusammen jeden Tag betet und jeden Tag und auch am Arbeitsplatz über den Glauben spricht und was der Herr großes an mir und uns getan hat. 
Ich weiß nicht, aber ich bin bisher hier noch nie angequatscht worden und so sehr einem der durchschnittlich Southern Baptist auch mit Frage Nr. 4 des offiziellen Smaltalks auf den Nerv gehen kann, wenigstens fragen sie: Wo gehst Du zur Kirche? Oder auch: Are you saved? 
Ja, die Laien müssten echt viel mehr ihr Priestertum ausleben. Nur halt nicht sonntags in der heiligen Messe. 
Sehr schön wäre daher auch, wenn statt pädagogisch hochwertigen gestalteten Mitten und fröhlichen Associationen, auch mal wieder richtig wissen vermittelt wird. Und da können dann eben auch Laien ganz tolle Arbeit machen.
Der wahrscheinlich erfolgreichste Bibellese-Podcast ever wurde wird von Father Mike Schmitz gelesen, aber geschrieben hat den Leseplan und die Timeline mit ewig viel Erklärzeug Jeff Cavins. 
Einen Ausschnitt aus dessem bewegten Leben gibt es hier. Er hat auch kurzzeitig mal Kirche ohne Priester ausprobiert. Hat er wieder seingelassen.



Montag, 25. September 2023

Yes, I know Father

 Und doch muss ich es manchmal hören. Immer wieder. Von daher, danke Father Joe. 


He sees you.
He sees that you get afraid.
He sees that you get lonely.
He knows the times you are grumpy and dark,
He is fully aware of your worst.
He sees all that and everything good and bad
He sees it and He is not repulsed or worried.
He is not repulsed or worried because he sees not just what you do or how you feel; He sees into the deepest part of you and is smitten with what He sees there.
Live in that love. Be at peace.

Sonntag, 24. September 2023

Wir leben in schlimmen Zeiten.... wirklich?


 Kürzlich bin ich in meine alte Heimatstadt zurückgekehrt.
Ich kam aus dem Westen und fuhr die Straße entlang, die einst die Via Belgica war, die die Römer über eine noch ältere neolithische Route gebaut hatten.
Bevor ich die eigentliche Stadt erreiche, fahre ich einem sehr schönen Friedhof vorbei, der einst die Leprakolonie und Hinrichtungsstätte war. Den Galgen und den Rabenstein mit pummligen Raben gibt es nicht mehr.
Ich fuhr im dichten Abendverkehr auf der selben Route in die Stadt, wie Tausende von Sträflingen in die andere Richtung getrieben oder geschleift worden waren. Räuber, Mörder, Giftmörder, Freibeuter, Fälscher, Diebe, Erpresser, Entführer, Vergewaltiger und ihre Opfer, aufständische Bauern, Ketzer, Hexen. Einst der gruseligste Ort und heute der friedlichste Teil der Stadt.
In der feuchten Spätsommerluft türmten sich Gewitterwolken auf. Ein dramatische Spiel von Schatten und Licht, das den drohenden Wolkenbruch für Maler so interessant macht.
"Oh Heiland reiß die Himmel auf", schleicht sich in meine Gedanken. Vielleicht am schönsten in der Brahms-Fassung. Diesen Weg dürfte auch Friedrich Spee gegangen sein. Er soll der Beichtvater von Hexen gewesen sein. Er glaubte nicht, dass die durch Folter erzwungenen Geständnisse wahr waren. Er war vielleicht auch sicher, dass die meisten Todesurteile ungerecht waren. Trotzdem ging er den ganzen Weg dorthin und zurück in die Stadt. Ja, er hat heimlich die Cautio Criminalis geschrieben, die große Schrift gegen die Hexenprozesse. Er schrieb aber auch das Trutznachtigall, das goldene Buch der Tugend. Ich habe beides irgendwo. Ich beschließe, es wieder aus zu graben, wenn ich nach Hause komme.
Apropos Ausgraben. 1980 wurde sein Grab in der Trierer Jesuitenkirche gefunden. Spee starb in Trier an der Pest. Der Professor und Dichter infizierte sich bei der Pflege kranker Soldaten.

 
Mitten in der Stadt ist die Kathedrale groß und von außen dunkel und von innen voller Licht.
Aber mein heutiges Ziel ist die Madonna in den Ruinen. Als die Bomber 1943 die schöne alte romanische Kirche St. Kolumba in Schutt und Asche legten, blieben nur noch ein Stück Mauer und eine Säule mit der kleinen spätgotischen Madonna übrig. Unsere Liebe Frau ist leicht verletzt, aber sie hält ihr Kind.
Sie hielt Ihn in ihren Armen, als die Borgias Päpste waren, als die Reformation das Land zerriss, die Franzosen die Hohe Kathedrale in einen Pferdestall verwandelten, die SA durch die Straßen marschierte, die Bomber kamen.
Sie sieht nicht so aus, als hätte sie vor, jetzt zu gehen. Ihr Mantel ist in vielen Falten gerafft, man sieht noch das Blau. Ich bin mir sicher, dass wir alle darunter passen werden.
Sub tuum praesidium confugimus, Dei Genetrix..